Everything is figureoutable: Sensemaking zur Chaoskontrolle am Arbeitsplatz [only in German]

George Peabody (†1869) sagte schon: "Our task is not to bring order out of chaos, but to get work done in the midst of chaos".

Teilweise fühlt sich die Distanzierung von altstarren Hierarchien mit Silodenke unnötig komplex an. In dieser Zeit ist es wichtig für das Management, Klarheit und Perspektive zu vermitteln, aber als Mitarbeiter:innen eben auch, ihren Umgang mit der Unsicherheit zu finden und leistungsfähig zu bleiben. Denn in einer VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity), in der auch Raum für Zweck und Partizipation sein soll, braucht es ein hohes Maß an Eigenverantwortung und das verlangt viel von Mitarbeiter:innen ab. Zum Glück gibt es gewisse Modelle und Denkmuster, die dabei helfen können, in dieser dynamischen Arbeitswelt zurechtzukommen. Etwa...

Sensemaking

Als Wesen mit Bewusstsein und Reflexionsvermögen, haben wir Menschen die seltsame Tendenz den Sinn von...na ja, eigentlich allem zu hinterfragen. Sei es der Sinn des Lebens, der Sinn von Wespen und Stechmücken, der Sinn unserer Montagmorgen-Meetings, ob Sand "Sand" heißt, weil er zwischen See und Land liegt, und die meisten dieser Gedanken macht sich unser Gehirn obendrein um drei Uhr nachts. 😉 Doch ob diese Art nach dem Sinn zu fragen auch helfen kann im Unternehmen effizienter zu arbeiten, produktiver zu sein und als Team bessere Entscheidungen zu treffen? Das Chaos im Betrieb zu entwirren?

"Sensemaking" im Arbeitsumfeld

Dem ersten Anschein nach ein seltsamer Begriff, denn ganz offensichtlich ist die beste Möglichkeit zur Chaosbewältigung Sinn aus diesem zu machen. Die Defintionen zum Begriff sind teils etwas repetitiv bis redundant, doch David T. Moore erklärt knapp und effektiv:

"[…]Sensemaking is “a set of philosophical assumptions, substantive propositions, methodological framings, and methods.” Working from [this] point of view, sensemaking [is] an approach that involves planning and replanning about how to make sense of an issue; foraging for, and harvesting sources of information; seeking to understand what they reveal; and communicating that knowledge to others.”

Definitionen, die Kopfschmerzen bereiten, aber wie so häufig weitaus komplexer klingen, als sie eigentlich sind. Zusammengefasst hat Sensemaking nach Moore drei klare Funktionen:

  1. Suche und Sammlung von Informationen und Daten.
  2. Verständnis der Implikationen dieser.
  3. Kommunikation der gewonnenen Erkenntnisse.

So einfach kann Chaos demontiert werden? Im Grunde schon. Effektiv geht es darum, einen Schritt zurückzutreten und die Chaossituation, in welcher man sich befindet, zu sezieren – neutral und außenstehend. Hierfür müssen vor allem Fragen gestellt werden, ein unabdingbarer Aspekt des Sensemakings. Warum ist das so? Wie stehe ich in Beziehung zum Problem? Wie sehen andere Perspektiven auf das Problem aus?

Inmitten von New Work, Holacracy, Agiliät und co. kann das für eine:n einzelne:n Mitarbeiter:in bedeuten, dass diese:r eine Erklärung für deren Handlungen innerhalb der Organisation braucht. Um das geben zu können, ist Sensemaking eine wichtige Führungskompetenz, doch wie bewusst ist das aktuell?

Our research shows that sensemaking is, in fact, a predictor of leadership success. And yet few leaders model or implement sensemaking in their organizations. We also found that most executives don’t even rate sensemaking as a key attribute of a great leader. Of the 1,395 characteristics or behaviors that executives associated with great leadership, less than 4% related to sensemaking, even though other attributes mentioned — such as being visionary or building credibility — require sensemaking in order to be executed well.

-MIT Sloan Management Review

In aller Fairness, wenn man Angestellte nach den gewünschten Kompetenzen von Leader:innen fragt, werden diese offensichtlich eher antworten "Ich hoffe Person XY ist nett und kompetent und bezahlt mich gut und vielleicht werden mal Donuts mit ins Büro gebracht, ich mag die mit Streuseln", als "Puh, also ausgezeichnetes Sensemaking zur Vorbeugung einer irreparablen Chaosvirulenz empfinde ich als essenziell". Sensemaking verhält sich somit ein bisschen wie Nährstoffe: Man merkt einen Mangel erst, wenn er da ist – und zur Vorbeugung reicht häufig ein kleiner Reminder. Ein bisschen wie Supplemente in einer Tablettenbox. Als Methode hierfür, haben wir für euch folgende Dosis zusammengestellt:

Einführung Sensemaking sollte als gewohntes Denk- und Verhaltensmuster am Arbeitsplatz eingeführt werden, angewandt auf reelle Probleme innerhalb des Betriebs. Um ein Problem zu lösen, setzt euch zusammen und arbeitet eng entlang Problemidentifikation, Datengewinn und Fragestellung. Mal sehen, was dabei rauskommt!

Showcase Bekanntlich ist Theorie ohne Praxis jedoch nur so und so brauchbar. Leader:innen, die sich Sensemaking am Arbeitsplatz wünschen, müssen dieses somit auch vorleben.

Etablierung – Die Arbeitskultur sollte kein schnelles Problem Solving über Problemidentifikation, Datengewinn und Fragestellung stellen. Es sei jedoch gesagt, falls bisherige Methoden funktionieren, so sollte man diese auf jeden Fall beibehalten! Sensemaking ist eine Best Practice, keine Religion – funktionale Arbeitsweisen sollten hierfür nicht über den Haufen geworfen werden. Wenn das bisherige Modell allerdings nicht funktional ist, muss man Sensemaking als Teil der Arbeitskultur etablieren und den Wert hiervon aufzeigen können.

Situationen verstehen – Unabdingbar, wenn man eine solche Kultur konstruieren möchte. Dafür muss man den Kolleg:innen vor allem eins geben: Zeit, bevor Handlungen erfolgen. Leader:innen, welche vorwerfen, es würden zu viele Fragen gestellt, statt diese zu ermutigen, leiden selbst an einem fundamentalen Missverständnis bezüglich des Modells.

Lernen – Nur weil man all diese Schritte befolgt, heißt das nicht, Fehler, Missverständnisse und dergleichen werden nicht mehr entstehen. Wichtig ist eine psychologische Sicherheit, welche den gelegentlichen Schritt zurück ermöglicht, um mehr Verständnis zu schaffen.

"Everything is figureoutable"

Arbeitnehmer:innen stehen regelmäßig vor neuen, undurchsichtigen und scheinbar unbezwingbaren Aufgaben – sei es aufgrund eines beruflichen Neuanfangs, dem Wechsel in ein neues Team oder durch Digitalisierung ausgelöste Veränderungen am Arbeitsplatz. Dabei kann nicht nur Sensemaking helfen, im Sinne vom Hinterfragen, Interpretieren, Zusammenführen und Teilen erworbener Erkenntnisse, sondern auch ein mentaler Leitsatz, der uns aus dem gleichnamigen Buch von Marie Forleo hängen geblieben ist: "Everything is figureoutable". Für uns bei 55BirchStreet, ist das sozusagen in der Basisausbildung mit inbegriffen. 😉

Der Grundgedanke lautet entsprechend, dass nichts im Leben so kompliziert ist, wie es häufig scheint. Ja, auch hinter den größten Erfolgen von scheinbar undurchdringbaren Themen wie Astrophysik oder Nanotechnologie stecken…Menschen! Wie du und ich! Forleo fragt uns: "Do you realize, everything that surrounds us was once only a thought? An idea? A wild, formless figment of someone’s imagination?"

Der Ansatz von Forleo besagt, dass es Zeit ist Ausreden beiseitezulegen (z.B. "alles ist so chaotisch", "das Management trifft keine klaren Entscheidungen" etc.) und stattdessen in Action zu treten, die Ärmel hochzurollen und anzupacken. Dabei kann es schon helfen statt "Das funktioniert für mich/uns nicht" zu sagen, stattdessen "Wie kann das für mich/uns funktionieren?" zu fragen.

Übertragen auf unsicherheitsbehaftete Veränderungsprozesse in Organisationen oder chaotische Arbeitsumfelder, kann jedem einzelnen diese Einstellung helfen, seinen Job mit mehr Ergebnis, Erfolg und Erfüllung zu gestalten.

Das Schöne dabei: "The figureoutable philosophy becomes geometrically more powerful (and fun!) when applied in collaboration with others." – Marie Forleo.

Good for us! 😊

Was denkt ihr? Bloß weitere Buzzwords im Conundrum des New Works oder gute Methoden, um in der sich wandelnden Arbeitswelt zurecht zu kommen?

Zum Weiterlesen:

  • Ancona, Deborah (2020): The Overlooked Key to Leading Through Chaos.
  • Centre for Public Impact (2022): What is sensemaking?
  • Forleo, Marie (2019): Everything is Figureoutable.
  • Moor, Julia Anna (2017): Sensemaking in Leadership: Warum unsere Arbeit 'Sinn' haben muss.

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