Wie KI helfen kann, Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen

Aktuell werden Potenziale und langfristige Nutzungszwecke generativer KI-Modelle heiß diskutiert und wir beobachten den rapiden Fortschritt, welchen Chat GPT, Bard und Co. demonstrieren, in Ehrfurcht. Regelmäßig kommt uns bei 55 ein „Jeeeez“ über die Lippen, wenn wir neue Skills der GenAI entdecken. Endlich gibt es einen konkreten Ansatz, welcher ganz gemäß dem Ansatz „KI müsse uns nutzen, nicht schaden“ operiert – und dieser könnte auch die aktuelle Nachhaltigkeitsfrage effektiv unterstützen. 💡

Die Wirtschaft abrunden

Seit geraumer Zeit sieht Kreislaufwirtschaft sich mit dem Problem konfrontiert, gewisse Hürden und Residuen, in der Konsequenz linearer Modelle, nur unter Schwierigkeiten überwinden zu können – wenn überhaupt. Nun ja, das liegt auch daran, dass wir Menschen sehr schlecht darin sind, uns auf irgendetwas zu einigen, jedoch außergewöhnlich gut darin, an zwei Enden desselben Seils zu ziehen.

Die grundlegende Idee der Kreislaufwirtschaft ist überzeugend. Konsumgüter entstehen schließlich aus Erhebung, Produktion, Verbrauch und Entsorgung von Materialien, was langfristig Probleme aufwirft, in einer Welt mit begrenzten Ressourcen, wie auch HBR erklärt. Ein lineares Modell ist somit schlicht und ergreifend nicht nachhaltig, insbesondere, wenn das Konsumverhalten unproportional zu diesem grassiert. Eine Problemstellung, deren Konsequenzen wir aktuell ausbaden. 🏊

Kreislaufwirtschaft beabsichtigt, sich als Mehrwert zur Umwelt zu verstehen, durch das Recycling und Wiederherstellen von Materialien. Hürden ergeben sich hierbei dadurch, dass lineare Wirtschaftsmodelle dafür angeblich mehr Kapital generieren, hat Nachhaltigkeit doch immer seinen Preis. Dazu muss Digital, Data and Design (D^3) allerdings widersprechen. Wir müssen Kreislaufwirtschaft lediglich effektiver denken – und dafür hat D^3 drei simple Kernstrategien als Elemente eines Kreislaufmodells konstatiert:

  1. Produktutilisation (geteilte Wirtschaftsplattformen, Sanierungen und erhöhte Lebensdauer),
  2. Materialeffizienz,
  3. Recycling.

So einfach wie plausibel! Die gute Nachricht lautet nun, dass aktuelle KI-Modelle der lang ersehnte Durchbruch sein könnten, um derartige Strategien zu implementieren. In der Tat sollte KI hierbei nicht nur helfen, sie muss sogar – aber wo ansetzen?

Warum alles irgendwie $#@%! ist

Ist euch jemals die Vermutung gekommen, dass die Produkte, welche wir heutzutage erwerben, nicht mehr so hochqualitativ sind wie etwa die vor zehn Jahren – oder gerne auch noch früher? Warum ist Omas Nudelholz, mit der sie früher Opa durch den Vorhof gescheut hat, noch funktionsfähig, aber das eigene zerbrochen, als man…na ja…damit Teig gerollt hat? Warum ist diese alte Gusseisenpfanne, abseits zeitweiliger Entrostungen, weiterhin eines meiner funktionalsten Küchenutensilien – und warum ist die 20€ Treuepunktpfanne vom Supermarkt des Vertrauens schon wieder zerkratzt und ohne Beschichtung?

Die Antwort hierzu liegt im Produktionsprinzip selbst, welches in drei Faktoren unterteilt ist: Funktionalität (Klappt es?), Aussehen (Ist es hübsch?) und Herstellbarkeit (Ist es einfach zu produzieren?). Für allgemein zugängliche Produkte sollten die respektiven Faktoren dieser Dreiteilung je bei etwa 33% liegen. Das Qualitätsprodukt der Ottonormalverbraucher:innen umfasst somit all diese Faktoren in einem Gleichgewicht zueinanderstehend.

Plot Twist: Tun sie leider nicht – und das hat durchaus seine Gründe, nicht nur in der Produktion, sondern auch unserem Kaufverhalten selbst. Kaufprozesse haben sich über die Jahre grundlegendend verändert. Nehme man einen Anzug: Ging es früher noch zum Schneider, welcher diesen handfertigte, dann statt Schneider zum Department Store, wo der massenproduzierte Anzug an der Kleiderstange hing – irgendwann weiter ins Einkaufszentrum, mit Boutiquen allerlei, bis hin zum heutigen Standard namens Onlineshopping, bei welchem wir die erworbenen Produkte bis zum Zeitpunkt ihrer Lieferung gar nicht in persona begutachten, wie Vox Media attestiert. Heutige Produkte verhalten sich dementsprechend eher so, um dieser Massenproduktion nachzukommen:

In der Konsequenz sorgt das dafür, dass wir einfach sehr viel kaufen. Ein UN-Report gibt an, das durchschnittliche Käufer:innen zwischen 2000 und 2014 60% mehr Kleidung kauften, es obendrein jedoch nur halb so lange behalten. Rund 40% aller britischen Käufer:innen erwerben sogar monatlich neue Klamotten, was offensichtlich ausgesprochen viel ist und teils auch in der Qualität der erworbenen Produkte begründet liegt. Im Umkehrschluss: Da wir so viel kaufen, wollen wir auch nicht so viel Geld dafür ausgeben.

Ungünstig korreliert das im Weiteren mit Preiserhöhungen infolge von Inflationen, Materialknappheit und dergleichen, da wir in der Regel nicht bereit sind mehr für ein Produkt zu bezahlen als in der Vergangenheit. Hat man früher etwa T-Shirts für 10€ gekauft, und müsste man für ein ähnlich hochwertiges nun 20 € zahlen, kauft man lieber ein minderwertiges für 10 – was, im etwas blöden Rückschluss, wohl dafür sorgt, dass man in einem Jahr dreimal dasselbe Shirt kauft, obwohl die teurere Variante ein Jahr gehalten hätte. Natürlich handelt es sich hierbei auch um eine Frage der Disponibilität. Ironischerweise ist auch das ein Kreislauf für sich selbst. Man denke an das alte Stiefel-Gleichnis des Autors Terry Pratchett:

The reason that the rich were so rich […], was because they managed to spend less money. Take boots, for example. A really good pair of leather boots cost fifty dollars. But an affordable pair of boots, which were sort of OK for a season or two and then leaked like hell when the cardboard gave out, cost about ten dollars. […] A man who could afford fifty dollars had a pair of boots that'd still be keeping his feet dry in ten years' time, while a poor man who could only afford cheap boots would have spent a hundred dollars on boots in the same time and would still have wet feet.

Diese Aussage ist natürlich dennoch mit einem Augenzwinkern zu betrachten; schließlich ist nicht alles, was teuer ist, auch gut. 😉 Positiv betrachtet, verleiht das Konsument:innen eine gewisse Kontrolle, ist man im Umgang mit seinen Ausgaben bewusster. Negativ betrachtet, liegt das allerdings auch nicht in unserer vollen Kontrolle – und bestenfalls könne man diesbezüglich einen Impuls setzen.

Geplante Obsoleszenz und Consumer Engineering

Mal ganz plump ausgedrückt: Manche Produkte sind ganz bewusst nicht zum Überleben, sondern Neukauf gedacht und werden entsprechend konzipiert. Typischerweise finden hierbei zwei bestimmte Strategien Anwendung, mit welchen wir als Konsument:innen sicherlich vertraut sind.

Consumer Engineering bezeichnet den Neukauf von Produkten, obwohl alte noch intakt sind. Man denke an diejenigen, welche sich jedes neue iPhone Modell besorgen, obwohl das letzte 1 ½ Jahre alt ist und bis auf einem Kratzer am Display keinerlei funktionale Mängel aufweist. Oder Modetrends: Meine Jacke mit Knöpfen ist zwar völlig in Ordnung, aber gerade sind Reißverschlüsse in. Ergo brauche ich eine neue Jacke.

Geplante Obsoleszenz hingegen umfasst das bewusste Verschleißen von Produkten. Man denke auch hier an Apple, jedoch die einstig genutzte und beinahe perniziöse Designstrategie, welche iPhone-Akkus dazu bewegte, nach bestimmter Nutzungszeit an Leistung einzubüßen. Angemerkt sei, dass das aber auch schon wieder in der Vergangenheit liegt; mittlerweile dominiert Apple den Markt gebrauchter Handys. Aus Fehlern muss man bekanntlich lernen.

Ob FairPhones oder Patagonia, immer wieder brechen Marken durch, die Repartur und Austausch von Verschleißteilen supporten. Dennoch ticken die meisten noch nicht so! Sowohl bei Consumer Engineering als auch geplanter Obsoleszenz, ist der strategische Kerngedanke recht einfach zu erkennen: Wir sollen mehr kaufen. Eine Mixtur von beidem finden wir in vielen modernen Produkten, welche hohen Wert auf Herstellbarkeit legen. Greift man auf billigere Materialien zu, simplere Nähmuster etc., verschleißt das Produkt natürlich schneller – und die Produkte werden unter anderem aufgrund von Fast Fashion in Verbindung mit Consumer Engineering in dieser Manier produziert. Genau deswegen sind wir als Konsument:innen wie gesagt nicht vollkommen machtlos, doch ist der Status Quo eben Grund genug für eine Kreislaufwirtschaft – und dank neuer, künstlicher Intelligenzen, haben wir diesbezüglich eine vielleicht unerwartete Lösung.

AI to the Rescue?

So einfach wie “weniger kaufen, Lebensspanne von Produkten erhöhen“ kann es doch allerdings nicht sein, oder? Na ja – doch. Irgendwie schon. An der Umsetzung hapert es allerdings, ist es selbstverständlich im Interesse vieler Unternehmen, ihr eigenes Umsatzwachstum zu steigern. Dass dies erschwert wird, wenn Produkte länger halten und weniger gekauft werden, ist augenscheinlich natürlich vollkommen plausibel. Stimmen tut das allerdings gar nicht so richtig.

HBR erklärt, dass ein qualitativeres Produkt als Mechanismus dient, neue Kund:innen zu erreichen, Customer Satisfaction zu erhöhen und Businessmodelle einzuführen, welche die Mühen zu beständigeren Produkten monetarisieren können. Es ergäbe sich des Weiteren die Möglichkeit langlebige Produkte als Dienstleistung zu etablieren, wo Unternehmen das Besitzrecht des angebotenen Artikels beibehalten, während Kund:innen für die Nutzung zahlen – was offensichtlich auch in einem bezahlbareren Kaufpreis resultiert. Sowas wie Mietwohnungen, aber mit iPads.

Fortschritte bei Data- und Tracing-Technologien erlauben im Weiteren den hierfür notwendigen Informationsfluss, wobei selbstredend auch KI assistieren kann, arbeiten Diffusionsmodelle doch bekanntlich gut mit gegebenen Daten und daraus folgenden Wahrscheinlichkeiten. In derartigen Businessstrategien, würden sich gänzlich neue Möglichkeiten finden, loyale Kund:innen zu akkumulieren, während verwendete Materialien effizient genutzt werden.

Materialeffizienz ist im Übrigen ein weiterer Aspekt, welchen KI zu assistieren weiß, etwa in Form von Produktionsoptimierung – erste Nutzungsverfahren zur schnellen Erkennung von recycelbarem Abfall existieren bereits. HBR berichtet außerdem:

Our conference heard how entrepreneur Shelly Xu’s SXD Zero Waste applies artificial intelligence to redesign garment mockups that generate less pre-consumer waste from offcuts during apparel production. The result is the creation of sweaters, dresses, or pants with close to zero waste in fabric and about 55% lower cost, as opposed to 10–30% waste in traditional designs.

KI könnte somit fähig sein den notwendigen Daten- und Informationsfluss für eine nachhaltige Produktion besser zu überwachen und somit ökologisch freundlichere Produkte und Businessmodelle ermöglichen. Hier hören die Vorteile allerdings noch nicht auf. Grundlegend können schließlich viele Prozesse mithilfe von KI automatisiert werden, wodurch mehr zeitliche Ressourcen für andere Areale schafft. Zusammengefasst lassen sich also drei große Vorteile feststellen:

  1. Anfertigung kreislaufender Produkte – KI kann die Herstellung nachhaltiger Artikel beschleunigen durch iterative, Lernmodell assistierte Prozesse, die auch Möglichkeiten zu schnelleren Testverfahren bieten.
  2. Kreislaufende Businessmodelle – Wettbewerbskraft kann durch Produkt als Dienstleistung und Leasing gesteigert werden, da KI die hierfür relevanten Daten effektiv verwalten kann.
  3. Optimierung kreislaufender Infrastruktur – Bietet massive Entlastung in nachhaltiger Logistik, Inventar-Management und Ressourcenkontrolle.

New York Times berichtet, wie wertvoll dies für die Globalökonomie sein könnte, sofern – und dieser Aspekt greift bei allem Genannten – KI menschliche Arbeit unterstützt, statt sie zu ersetzen. Der Grundgedanke darf nicht lauten, die Hände in der Spartasche zu verstecken und Arbeitskräfte nun für obsolet zu erklären, sondern KI als mitgegebene Superkraft dieser zu verstehen. Nur so kann schließlich sichergestellt werden, dass KI gemäß menschlicher Wert- und Prinzipienvorstellungen agiert und somit auch Ambitionen in puncto Kreislaufwirtschaft unterstützt.

Wir freuen uns, Projekte zu unterstützen, die KI implementieren, um Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen – und dabei Nachhaltigkeit mitdenken.

Was erhofft ihr euch von KI in den kommenden Jahren? Wir freuen uns auf den Austausch!

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