Microsoft, Perfektionismus und reisende Katzen: Unsere Reading List für den Frühling 2025 [only in German]

Genug Wintertief, der Frühling lässt sich endlich auch mal blicken. 🌷🌼 Uns überkommt dementsprechend bereits das Bedürfnis, sich zum Picknicken in den Stadtpark zu setzen und mit angemessener Lektüre etwas Downtime zu genießen. 😉 Genau für diesen Zweck haben wir wieder fünf Bücher für euch kuratiert, um das schöne Wetter zu genießen! ☀️
Source Code: My Beginnings – Bill Gates

Man kann es ja mal sagen: In einem Silicon Valley bestehend aus Musks und Zuckerbergs, darf man sich auch freuen, dass es einen Bill Gates gibt, der sich statt dem eigenen Egokult Themen wie Klimawandel, Gesundheitswesen und US-Bildung widmet.
Der Microsoft-Gründer hat nun mit Source Code: My Beginnings zumindest einen Teil seiner Biografie zu Papier gebracht. Gates widmet sich hier jedoch nicht primär Businessfragen, der eigenen Unternehmensgeschichte oder dergleichen; vielmehr wird sich auf den jungen Gates fokussiert. Seine Kindheit, Interessen während dieser – die Familie, welche ihn erzogen hat, die Freund:innen, die ihn in der Jungend begleiteten und der plötzliche Tod von einem dieser.
Ein herzliches wie persönliches Portrait eines der einflussreichsten Unternehmer unserer Zeit, das zwar insbesondere auf der menschlichen Ebene funktioniert, für Techies und Co. Jedoch auch Material zu bieten weiß, wenn nicht zuletzt in der leichten Prise Selbstidentifikation. 😉
How To Be Enough: Self-Acceptance for Self-Critics and Perfectionists – Ellen Hendriksen

Symptom der digitalisierten Arbeitswelt scheint es leider zu sein, einen gewissen Perfektionismus zu kultivieren. Ob Workflows, Endprodukt oder Terminplanung, alles lässt sich bis ins minuziöseste Detail weiter optimieren – und das kann zwar Ergebnisse liefern, aber durchaus belastend wirken.
Ellen Hendriksens How To Be Enough: Self-Accpetance for Self-Critics and Perfectionists widmet sich genau dieser kniffligen Problemstellung; die unangenehme Grauzone, wo Perfektionismus nicht das Bestreben nach Bestleistung, sondern das Gefühl, niemals gut genug zu sein erreicht. Hendriksen ist genau die richtige Person, um hier Hilfe zu bieten: Nicht nur als klinische Psychologin, die somit die angemessenen Tipps und Methoden in petto hat, sondern insbesondere als selbstbekennende Perfektionistin, die bestens mit den dahinterstehenden Problemen vertraut ist.
So empathisch wie humorvoll, bietet Hendriksen sieben Umstellungen der inneren Schaltungen, um sich selbst neu zu kodieren, um zu lernen, mit sich nachsichtig zu sein, wenn man nur unter eigener Strenge funktioniert. Hendriksen verknüpft hierfür nicht nur psychologisches Fachwissen samt herangezogener Studien, sondern auch Anekdoten ihrer (anonymisierten) Patient:innen, um die notwendige Identifikationsbasis zu schaffen und aufzuzeigen, mit alledem nicht alleine zu sein. Die besondere Stärke des Buches liegt jedoch vor allem darin, dass auch die positiven Aspekte des Perfektionismus hervorgehoben werden. Das ist keine Charakterschwäche, die man kurieren muss, sondern eine Eigenart, zu der ein gesundes Verhältnis hergestellt werden sollte. Wem das vertraut vorkommt, können wir das Buch nur ans Herz legen.
Bad Friend: How Women Revolutionized Modern Friendship – Tiffany Watt Smith

Man muss anerkennen, dass in der kultursozialen Dichtung unserer Zeit Freundschaften zwischen Männern und Freundschaften zwischen Frauen grundsätzlich anders semantisiert werden. Sisterhood, BFFs, Girl Power und dergleichen: weibliche Freundschaft ist idealisiert, irgendwo zwischen Widerstand und Solidarität, in einer patriarchalen, männerdominierten Gesellschaft. Die Realität sieht allerdings häufig anders aus, so Tiffany Watt Smith.
Bad Friend: How Women Revolutionized Modern Friendship ist mehr als ein simples Memoire zu den platonischen Komplikationen der Autorin, denn die Kulturhistorikerin verwebt Privates nahtlos mit geschichtlichem Fachwissen, um eine emphatische Darstellung zur gesellschaftlichen Position und Wahrnehmung als Frau zu erarbeiten.
Schlechte Freund:innen sind wir alle mal, so Watt Smith, doch besonders weibliche Freundschaften werden zu stark examiniert, interpretiert und ja, auch moralisiert. Nicht nur mit ihren eigenen Erfahrungen ist die Autorin hierbei wunderbar transparent, sondern auch ihrer Zielsetzung: Ein feministischer Paradigmenwechsel, der die Komplikationen einer Freundschaft umfasst, genauso wie die hierbei entstehenden Freuden. Ein Leben ohne Freundschaft, das wäre fürchterlich – doch müssen wir genauso gestehen, dass nur die wenigsten Freundschaften perfekt sind. Und das ist okay.
The Scaling Era: An Oral History of AI, 2019–2025 – Dwarkesh Patel & Gavin Leech

Selbstredend gibt es viel Fanfare darum, in welche Richtung uns die KI-Revolution tragen wird, doch hier mal ein ganz wilder Vorschlag: Warum fragen wir einfach nicht diejenigen, welche sie in erster Linie vorantreiben? Seit Jahren widmet sich der Dwarkesh Podcast dieser Fragestellung und führte in diesem Sinne Interviews mit den wichtigsten Expert:innen dieses Gebiets – von DeepMind und OpenAI Cofoundern bis hin zu Mark Zuckerberg.
The Scaling Era ist die überarbeitete Verschriftlichung der wichtigsten Erkenntnisse, die in den geführten Gesprächen entstanden sind. Patel brilliert hierbei mit dem ungewöhnlichen Talent, den Finger auf genau die richtigen Punkte zu setzen und die Fragen zu stellen, welche gestellt werden müssen, den meisten jedoch entgleiten würden. Grundsätzlich dient das Buch ebenso als Einführung zur Thematik mit über 170 Definitionen und Grafiken, ist jedoch eher für KI-Fortgeschrittene ausgelegt.
Patels Expertise, welche er zusammengefasst in The Scaling Era mit der Welt teilt, ist nicht anzuzweifeln – gegebenenfalls hat keine andere Person so viele führende Expert:innen zum Thema KI befragt, wodurch ein beeindruckendes Portrait zur transformativsten Technologie unserer Zeit entsteht.
The Travelling Cat Chronicles – Hiro Arikawa

Satoru, ein in sich gezogener Mann aus Japan, setzt sich mit seiner adoptierten Streunerkatze Nana – benannt nach dem japanischen Wort für „sieben“, aufgrund seiner eigenartigen Schwanzform – ins Auto und beginnt eine Reise durch die Jahreszeiten und Szenerien seines Heimatlandes, um verschiedene, alte Freund:innen zu besuchen. Erzählt wird ein Großteil der Geschichte hierbei aus Perspektive der Katze selbst, die mit trockenem Sarkasmus und einer leichten Irritation der menschlichen Spezies gegenüber eine charmant-humoristische Stimme verleiht. Eine eigentlich simple Prämisse, beinahe unspektakulär – doch schnell muss man feststellen, wie viel emotionales Gewicht in dieser Handlung steckt.
Im Verlaufe des Geschehens eröffnet sich nämlich nicht nur die bewegte Vergangenheit des introvertierten Katzenbesitzers, sondern auch dessen gesundheitlicher Zustand und der hieraus entstehenden Implikation: Das hier ist kein simpler Urlaub, den Satoru mit seinem besten Freund antreten mag, es ist die Suche nach einem neuen Zuhause für Nana.
Das klingt alles sehr traurig, wissen wir, ist es aber gar nicht. Na ja, nicht nur. Allen voran ist The Travelling Cat Chronicles ein Buch mit sehr viel Herz, das über seine tragischen Anfänge hinaus einen Appell für das Schöne tätigt, für die Verbundenheit und das Miteinander – miteinander, mit der Natur und natürlich mit den tierischen Kumpanen, die uns im Trubel des Alltags beiseitestehen. Ein schönes Buch für diese Jahreszeit, denn gut beherzt wie Satoru ist – nicht nur aber insbesondere im Umgang mit Nana –, kann man sich nicht helfen, außer zu glauben, diese Person würde jemals woanders als im Frühling des eigenen Lebens stehen. Kann man sich durchaus ein Beispiel drannehmen. 🌸
Wir wünschen wie immer viel Spaß beim Lesen und freuen uns auf den Austausch mit Euch! 📖