Greenwashing und echte Nachhaltigkeit sind nicht einfach zu unterscheiden

September 4, 2024

Nachhaltigkeit muss das Endziel sein – rein faktisch steht das eigentlich nicht länger zur Debatte und immer mehr Unternehmen schließen sich diesem Zeitgeist an. Umso unschöner ist es dementsprechend zu adressieren, dass diese oftmals lediglich performativ verfolgt wird: Greenwashing ist der Begriff, welcher in diesem Kontext am lautstärkstenertönt. Gemäß der Definition des Oxford Dictionarys, bezeichnet Greenwashing eine Strategie, mit der Akteur:innenversuchen sich durch die gezielte Verbreitung von Desinformationen ein Image ökologischer Verantwortung zu verschaffen.

Hierbei ist wichtig zu unterstreichen, dass mit Desinformationen nicht zwingend die Unwahrheit gemeint sein muss. Oft sind die „grünen Behauptungen“ des Unternehmens sogar wahr. Das Kerngeschäft der betroffenen Firma ist allerdings meist nicht umweltfreundlich. Mit anderen Worten: Die Unternehmen lenken von anderen Problemen, die ihre Produkte verursachen, ab. Auch Labels, Siegeln und Prüfplaketten ist hierbei häufig nicht zu trauen. Begriffe wie „klimaneutral“, „nachhaltig“, „bio“ oder „fair“ begegnen uns im Zusammenhang mit Produkten und Dienstleistungen dementsprechend an fast jeder Ecke. Aber wer kann wirklich etwas damit anfangen?

Laut einer EU-Studie ist Werbung mit Nachhaltigkeit des Weiteren häufig vage, irreführend oder nicht fundiert. Verbraucherschützer:innen fordern mehr Klarheit: durch Regeln, Kontrollen – und im Zweifel auch Klagen. Damit ist Greenwashing längst nicht nur eine irreführende Marketingtaktik, sondern untergräbt systematisch das Vertrauen der Verbraucher:innen und die Bemühungen von Unternehmen, die sich ernsthaft für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Klingt alles durchaus drastisch, bedeutet jedoch ebenso, dass es einen funktionaleren Lösungsweg geben muss. Schauen wir also etwas genauer auf das Thema Greenwashing, dessen ökologische und sozialen Implikationen und selbstredend, wie wir dieses Problem korrigieren können. Wir haben für euch einen Blick geworfen.

Ausgangslage

Entgegen der weitläufigen Meinung, Greenwashing sei ein neuer Trend, gibt es den Begriff bereits seit 1986: Der Umweltaktivist Jay Westervelt kritisierte damit Hotelunternehmen, die mit „schütze die Umwelt, nutze ein Handtuch mehrfach”-Stickern von vielen anderen Umweltauswirkungen eines Hotels abzulenken versuchten. Grundsätzlich bezieht sich Greenwashing auf irreführende oder falsche Umweltaussagen. Eine einheitliche Definition gibt es jedoch bis heute nicht. Übrigens, der Begriff nachhaltig bezieht sich immer auf den Dreiklang aus ökologischer, sozialer und finanzieller Nachhaltigkeit.

Greenwashing ist nicht zwingend eine bewusste Täuschung oder Lüge, sondern kann auch unbeabsichtigt durch fehlende Datengrundlagen, Unwissenheit und mangelndes Bewusstsein entstehen. Dies kann der Fall sein, wenn Unternehmen sich der Umweltauswirkungen ihrer Produkte, Lieferketten und/oder Dienstleistungen nicht vollständig bewusst sind, beziehungsweise wenn ihnen das Know-how oder die Ressourcen fehlen, um Umweltaspekte korrekt zu kommunizieren.

Der Status Quo sieht hierbei wie folgt aus:

· 53,3% der Umweltaussagen oder auch „Green Claims“ in der EU wurden im Jahr 2020 als übertrieben, falsch oder irreführend identifiziert.  

· 40% der Aussagen fehlen Belege und sind dementsprechend nicht nachvollziehbar.  

· In einer Studie des New Climate Institute von 2023 wurden bei 15 von 24 untersuchten globalen Großkonzernen die Klimastrategien als wenig glaubwürdig eingestuft.

Hinzu kommt, dass eine unterschiedliche Auffassung darüber, was „nachhaltig“ ist, ebenfalls zu Greenwashing-Aussagen führen kann. Während für die einen zufriedene Shareholder:innen das nachhaltigste Gut sind, proklamiert andere vielleicht die hohe Langlebigkeit der Produkte. Oftmals fehlt allerdings ein ganzheitlicher Blick. Die zuvor erwähnte, mangelnde Definitionsklarheit spielt diesem Problem natürlich direkt in die Karten. Kurzum: Es fehlen Wissen und Transparenz.

Greenwashing und seine Konsequenzen

Die oft schwerwiegenden Folgen von Greenwashing für Unternehmen bleiben in eigentlich allen Szenarien identisch. Wenn der grüne Anstrich bröckelt, sich nachhaltige Produkte als gar nicht so nachhaltig herausstellen, und Unternehmen offensichtlich ihrer Verantwortung nicht nachkommen, droht ein massiver Reputationsverlust bei Aktionär:innen und Konsument:innen. Viele Unternehmen unterschätzen die einhergehenden negativen Auswirkungen auf den Unternehmenswert.   

Daher ist es von entscheidender Bedeutung, das Risiko von Greenwashing im Geschäftsmodell und im Betrieb zu berücksichtigen, um potenzielle Auswirkungen frühzeitig abwägen und minimieren zu können. Dabei sollte das Augenmerk auch auf den zunehmend komplexeren, globalen Netzwerken aus Lieferant:innen und Geschäftspartner:innen liegen. Eine Vielzahl von Vorschriften, wie zum Beispiel das EU-Lieferkettengesetz, macht Unternehmen nämlich nicht nur für ihre eigenen Handlungen verantwortlich, sondern auch für die ihrer Vertragspartner:innen.

Maßnahmen gegen Greenwashing – was hilft wirklich?

Unterschiedliche Auffassungen darüber, was „nachhaltig“ ist, lassen sich leicht unter einen Hut bringen, um ein universales Verständnis zum Nachhaltigkeitsbegriff zu kultivieren. Definiert ein dementsprechend einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit. Bindet dabei auch externe Stakeholder:innen ein, bedient euch wissenschaftlicher Grundlagen und denkt vor allem holistisch. Schafft Transparenz in eurer Kommunikation, indem ihr einen offenen Dialog dazu pflegt, wie ihr eure Nachhaltigkeit gemessen habt und deutlich macht, an welchen Stellen es noch zu tangiblen Fehlern kommt. Denn die offene und ehrliche Kommunikation eurer Stärken und Schwächen minimiert die Gefahr sich unbeabsichtigt „in „Grün“ zu waschen“.

Persönlich teilen wir des Weiteren die Überzeugung, dass mit der EU-Taxonomie-Verordnung ein elementarer Baustein gegen Greenwashing geschaffen wurde – eine Regulierung und einheitliche Bewertung von „nachhaltigen“ Leistungen und Tätigkeiten. Kleiner Exkurs zur EU-Taxonomie-Verordnung. Mit ihr hat die EU im Jahr 2020 einen Rahmen geschaffen zur Klassifizierung von nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten, um nachhaltiges Wirtschaften sichtbarer zu machen.

Dennoch müssen zwei Effekte adressiert sein, die von der EU-Taxonomie nicht zwangsweise ausgeschlossen werden.

1. Wenn sich ein Unternehmen auf die bereits vorhandenen, nachhaltigen Praktiken stürzt und diese kommunikativ in den Vordergrund stellt, dann ist das natürlich berechtigt! Wenn dadurch allerdings andere, nicht nachhaltige Prozesse verschwiegen werden, dann ist das wiederum Greenwashing.

2. Wenn ein Unternehmen nun ein besonders nachhaltiges Produkt entwickelt und daran die Nachhaltigkeit des Unternehmens gemessen wird, ohne das bestehende Produktportfolio weiterzuentwickeln, dann ist auch das Greenwashing.

Wir halten es für wichtig zu zeigen, was ein Unternehmen bereits leistet. Wenn wir dabei allerdings verschweigen, was uns noch nicht gelingt, dann untergräbt das die Authentizität eigener Handlungen und Aussagen, was die eigene Nachhaltigkeit in publiker Wahrnehmung ad absurdum zu führen droht. Im Grunde geht es also um Transparenz: Aussagen müssen nachvollziehbar, einsehbar und relevant sein. Sprecht nicht nur über Stärken, sondern auch über die Schwächen, an denen ihr noch arbeitet. Oatly und Patagonia machen es vor. So hat Oatly, neben vielen anderen Aktivitäten, mit fckoatly.com eine Plattform ins Leben gerufen, welche die häufigsten Vorwürfe und Kritikpunkte gegen  

das Unternehmen zusammenfasst und dadurch Transparenz schafft. Auch Patagonia setzt Maßstäbe in Sachen authentischer Nachhaltigkeit. Das Unternehmen rückt konsequent Bildung und Aufklärung in den Mittelpunkt seiner Strategien. Dabei macht Patagonia unter anderem deutlich, dass sie als Marke in der Modebranche und somit in einem „unsustainable” System agieren.

Fehlentscheidungen in der Rechnung

Und was kostet der falsche Weg? Was kostet es Produkten und Dienstleistungen ein falsches Image überzustülpen, sie in ein falsches oder anderes Licht zu rücken, sie zu etwas zu machen, was sie nicht wirklich sind?

Das vorsätzlich falsche Verbreiten kommt aus Sicht der Nachhaltigkeitsfrage dem „Nichtstun“ gleich:  Der Zustand der völligen Untätigkeit, ohne Aufgabe, Ziel und Vorhaben. Wie wir sicherlich alle wissen, ist das in diesem Fall der absolut falsche Weg. Die dort eingesetzten, fehlgeleiteten Gelder und Aufwände für den Greenwashing-Vollwaschgang sind für echte Nachhaltigkeit aktiver und effektiver eingesetzt. Leider existieren weiterhin nur vage Vorstellungen bezüglich der Kosten von Klimawandelschäden und verlorenen Ökosystemdienstleistungen. Wenn man die fatalen Kosten des „Nichtstuns“ verstanden hat, sind ehrliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen im direkten Vergleich ein Schnäppchen. Eine Rechnung, die man sich wirklich hinterlegen sollte.

Fazit: It’s not easy being honest

Schon heute unterliegen grüne Werbeaussagen in Deutschland strengen Anforderungen. Doch was im Zweifel irreführend ist, entscheiden Gerichte zumeist im Einzelfall. Der Richtlinienvorschlag der EU geht einen Schritt weiter. Umweltangaben über Produkte, Dienstleistungen oder das Unternehmen selbst, für die es keine spezifischen Regeln gibt, wie etwa die Bezeichnung „klimaneutral“, müssen belegbar sein und kommuniziert werden. Die Aussagen müssen…

· …erkennen lassen, ob sich die Angaben auf das gesamte Produkt, das ganze Unternehmen oder nur auf Teilbereiche beziehen.

· …sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und den aktuellen Stand der Technik stützen.

· …klarstellen, inwiefern das grüne Produkt im Vergleich zu herkömmlichen Produkten tatsächlich nachhaltiger ist.

· …den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen.

· …bei CO2-Bezug offenlegen, ob Emissionen reduziert oder nur kompensiert werden.

Informationen, die eine Umweltangabe belegen sollen, können den Verbraucher:innen etwa durch eine Beschreibung, einen QR-Code oder Link auf dem Produkt zugänglich gemacht werden.

Eine solide Unternehmenssteuerung ist unerlässlich, um Reputationsrisiken zu minimieren, die sich aus Greenwashing und den damit verbundenen Vorwürfen ergeben. Grundsätzlich gilt es, vorhandene Prozesse und Kontrollen zur Verhinderung von Greenwashing zu überprüfen. So lässt sich feststellen, wie wirksam diese den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens und dessen Reputation in der Öffentlichkeit schützen. Zudem sollten relevante Geschäftspartner:innen wie Hauptlieferant:innen überprüft werden, um Risiken in Bezug auf wirtschaftliche Ausbeutung, Umweltverstöße, Verstöße gegen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften sowie Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen, die bei unwissentlichem Auftreten potenziell einen erheblichen Schaden in der öffentlichen Wahrnehmung verursachen.

Das Wichtigste zum Schluss: Wir müssen es natürlich auch wirklich so meinen! 😊🌍 Wer nicht versucht nachhaltiger zu sein und zu handeln, wird kommunikativ auch immer nur Greenwashing betreiben können.

Ansonsten,

BYE, BYE GREENWASHING.

Oder wie seht ihr das? 🤔

 

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