Besser schlafen: Das Problem der Übermüdung und wie wir es lösen

Unwahrscheinlich ist es nicht, dass dieser Beitrag mit leicht trüben Augen und einem gelegentlichen Gähner gelesen wird (was wir nicht persönlich nehmen 😉). Allein ist man damit zumindest nicht. Wir leben in einer müden Gesellschaft – und das bereitet einem häufig Sorge, wenn man sich wieder im Bett wälzt, sporadisch auf die Uhr schaut und Bammel vor dem nächsten Tag mit zu wenig Schlaf hat. Ironischerweise halten uns genau diese Sorgen dann noch mehr vom Schlafen ab. Schließlich wird immer wieder betont, dass Schlaf für die Gesundheit genauso unerlässlich ist, wie eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Wenn dieser dann außerhalb der eigenen Kontrolle zu liegen scheint, ist das selbstverständlich beunruhigend.

Aber einmal ein- und ausatmen, bitte. Es ist tatsächlich nur halb so wild. Wir zeigen wie man der Panikkultur ums Thema schlafen entkommt und vielleicht etwas Nachtruhe finden kann. 💤

Schlaf als Leistungsträger

Nicht nur das Gesundheitliche, sondern auch das Wirtschaftliche ist ein guter Grund für die Bettruhe! Es besteht weiterhin der Irrglaube, wer wenig schläft, leistet mehr (unter der Logik, dass hierdurch mehr Zeit für Arbeit verbleibt). Dass das gar nicht stimmt, bestätigt auch Schlafexpertin Nina Kapp: „Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Natur hätte den Schlaf längst abgeschafft, wenn er nutzlos wäre. Aber er ist ein hochaktiver, lebenswichtiger Prozess, der massiven Einfluss nimmt auf unsere Leistungsfähigkeit und deshalb auch auf unseren beruflichen und privaten Erfolg.“

Kapp führt aus, Schlaf entscheide über Erfolg und Misserfolg – und wer schlecht schläft, wird das in seinen Handlungen spüren. Ausgeschlafen sind wir nun mal bedachter, leistungsfähiger und vor allem konzentrierter, weshalb erste Unternehmen – Google und Netflix, beispielsweise – Nap Rooms eingeführt haben; Studien von Stanford legen ergänzend nahe, ausgeschlafen sei man 26% produktiver. Schlaf ist somit ein erheblicher Wirtschaftsfaktor, den wir nicht ausreichend beachten. Kapp stellt daher klar: Schlaf ist auch Unternehmensangelegenheit. Nicht nur aufgrund des Interesses an kognitiver Leistung, sondern auch, da es häufig die Arbeit ist, welche schlaflose Nächte bereitet. Ein Potenzial, das laut Kapp vielerorts noch unangetastet ist – zumindest seien 43 Prozent der Deutschen wegen Schlafmangels nicht vollkommen leistungsfähig.

Warum wir zu wenig schlafen

Schlafmangel kompromittiert nicht nur unsere Leistungsfähigkeit, sondern auch unsere Stimmung. Natürlich stresst und nervt es, wenn man den halben Tag gefühlt im Schlafwandel verbringt und sich dennoch nachts im Bett dreht, weil man wegen irgendeinem perfiden Wink des Schicksals weiterhin nicht eindösen kann. Aber warum kommen gerade nachts so viele schlaufraubende Gedanken? Schlafexperte Dr. Prather erklärt, dass wir uns tagsüber oft nicht unseren Gedanken widmen und diese entsprechend nachts aufwühlen. Es ist allerdings nicht nur das Overthinking, das uns Bettruhe raubt: Zu spät zu viel Kaffee, Schlafstörungen, Schlafzeiten, die nicht synchron zu unserer inneren Uhr sind, selbstredend auch Smartphones (hierzu später mehr). Revenge Bedtime Procrastination ist ebenfalls ein Klassiker: Zusätzliche Zeit, die man wachbleibt, um verlorene Zeit des Tages zu kompensieren, welche man beispielsweise mit Arbeit oder dem Kümmern um andere verbracht hat.

Man selbst wird am besten wissen, was genau einem dem Schlaf raubt. Doch der wohl bizarrste – und häufig gängigste Grund – ist und bleibt: Ich mache mir so viele Sorgen ums Schlafen, dass es mich wachhält.  Dann lasst uns mal Abhilfe schaffen. Vielleicht ist gar nicht so wichtig, was einen wachhält, sondern was einen einschlafen lässt.

Die Basics des Schlafens

Um eins klarzustellen: Man kann kaum schlecht im Schlafen sein. Es sei denn, man ist Thai Ngoc – der Mann, der angeblich seit 1962 wach ist. Thai Ngoc zählt nicht.

Schlafen ist ein für die meisten von uns natürlicher Prozess. Hierin schlecht zu sein, ist abseits medizinischer Sonderfälle nicht wirklich möglich. Nichtsdestotrotz schlafen wir alle unterschiedlich. Durchschnittliche Schlafzeiten, die wir benötigen gibt es zwar, doch eben auch Ausnahmen – manche brauchen lediglich sechs Stunden, andere eher zehn und dann variiert das alles auch noch mit voranschreitendem Alter.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass schlafen kein quantitatives, sondern qualitatives Vorhaben sein muss. Wer acht Stunden schläft, jedoch alle 30 Minuten aufwacht, wird sich nicht ausgeruht fühlen. Die große Gemeinsamkeit lautet am Ende des Tages: Augen schließen und abschalten. Wenn man zu wenig schläft, wird einem der Körper das mitteilen. Als Hilfestellung sind folgende Fragen dienlich:

  • Fühle ich mich angemessen ausgeruht im Verlauf des Tages?
  • Schlafe ich ohne Störungen die Nacht durch?
  • Kann ich den Tag über wachbleiben, ohne einzuschlafen?

Hände hoch, wer es sich bereits zum Vorwurf gemacht hat, morgens einfach nicht aus den Federn zu kommen, verbunden mit dem latenten Schuldgefühl, dass man nicht den Tag und all seine Vorhaben tacklet. 👋 Im Schottischen gibt es eine hierfür sehr charmante Bezeichnung: Hurkle-durkle: Die morgendliche, entspannte Wachzeit im Bett, um sich das bisschen Ruhe zurückzuholen, das einem zuvor verwehrt wurde. Schön. Wichtig ist jedoch, wie diese Zeit genutzt wird. Hurkle-durkling ist keine Rechtfertigung den Morgen mit Mindless Scrolling und schlechten Nachrichten zu verbringen, sondern eine Maßnahme zur Bestimmung der eigenen Ruhezeit, wie Eleanor McGlinchey erklärt. Die Schlafexpertin empfiehlt dementsprechend, diese Zeit definiert zu verbringen. Ein Traumtagebuch, Musik hören, Kreuzworträtsel, etwas lesen, oder einfach eingekuschelt mit einem Kaffee etwas aus dem Fenster schauen und beobachten, wie der Großstadtlärm ausnahmsweise mal an einem vorbeizieht.

Ein festes Zeitfenster gibt es dabei nicht. Bei täglicher Anwendung sollten 15 bis 30 Minuten für die meisten von uns jedoch genügen. Schlaf ersetzt das zwar nicht, doch birgt Hurkle-Durkling ähnliche Benefits. Das ist keine Sache der Faulheit, sondern Achtsamkeit.

Besser schlafen

Mit hiernach hoffentlich weniger Schuldbewusstsein und Sorge im Hinterkopf, darf man tatsächlich einmal fragen: Was braucht es denn, um besser zu schlafen? Hier sind die wichtigsten Tipps, auch wenn natürlich nicht alle gleichzeitig integriert werden müssen. Schaut, was euch gefällt und am besten helfen könnte. 😉

Vorab ist ein Schlaftagebuch eine effektive Methode, um Übersicht über das eigene Schlafverhalten zu erlangen. Nicht nur erweist es sich als dienlich, wenn man erfahren möchte, wie wenig (oder viel) man tatsächlich schläft, auch für Ärzt:innen kann dieses sich als wertvolle Ressource erweisen, wenn man vermutet, an einer Schlafstörung zu leiden. Wir haben in diesem Sinne für euch eine Beispieltabelle erstellt, welche ihr zur Dokumentation nutzen könnt.

Das Dokument funktioniert wie folgt:

  1. Trage ein, wann du ins Bett gehst und wann du aufgewacht bist.
  2. Bestimme die gesamtgeleistete Schlafzeit der Nacht. Falls man mal ein Nickerchen gemacht hat oder die Nacht aufgewacht ist, lohnt es sich auch das zu berücksichtigen.
  3. Ran an die Notizen: Wie fühlst Du dich den Morgen? Ausgeruht oder doch schlapp?

Für die Hurkle-durkler:innen sei gesagt, dass ein Schlaftagebuch auch eine schöne Beschäftigung im Bett sein kann. 😉 Nichtsdestoweniger sollte man eine gewisse Neutralität zum eigenen Schlaftagebuch beibehalten. Schlafexpertin Camilla Stoddart warnt, wenn dieses nur zusätzlichen Stress bereitet, von dieser Methode abzusehen.

Die wichtigsten Tipps

Unsere Recherchen haben die folgenden Methoden zur Verbesserung des eigenen Schlafs hervorgebracht:

  • Die Sache mit dem Handy: Sind Handys vorm Schlafen konsequent schlecht? Nein, sagt Dr. Prather. Wichtig sind die konsumierten Inhalte. Lieber etwas Ruhiges, und optimalerweise Bekanntes statt Reels schauen.
  • Journaling: Halten einen die eigenen Gedanken nachts wach? Dann ist es lohnenswert, sich 10-20 Minuten am Tag freizuräumen (vielleicht beim Hurkle-Durkling), in denen man alles aufschreibt, was einen zurzeit beschäftigt. Falls doch mal ein Gedanke durchrasselt, dann ist es gut zu wissen, diesen auch am nächsten Tag noch aufschreiben zu können.
  • Atmung reduzieren: Die Anzahl der eigenen Atemzüge von 12-20 pro Minute auf vier bis fünf zu reduzieren, ganz bewusst etwa 10 Minuten am Tag, bringt den Rhythmus runter und unterstützt das Schlafen. Am besten, während man bequem sitzt, fokussiert auf jeden Atemzug – etwa fünf Sekunden einatmen, sieben Sekunden ausatmen.
  • Wach bleiben: Klingt ironisch, oder? Müde werden wir aber erst, wenn wir wach waren und das nach etwa 16 Stunden. Statt zu sagen, heute geht es früher ins Bett, nur um nicht einzuschlafen zu können und sich darüber zu ärgern (was zu weiterem Schlafmangel führen kann), lohnt es sich manchmal sich einfach für den Tag auszupowern und danach ins Bett zu schlafen.
  • Einen Rhythmus beibehalten: Wenn man sich schwer mit dem Schlafen tut, ist es wichtig, eine Routine beizubehalten. Jeden Tag ungefähr zu selben Zeit aufstehen – auch am Wochenende – und sich nach 16 Stunden wieder hinlegen, prägt einen gesunden Schlafrhythmus. Auf die Nickerchen sollte man in dem Fall allerdings verzichten. Auch hier sei aber wieder gesagt, nicht zu obsessiv über die Routine zu werden. 😉
  • Schlafen, wie es Spaß macht: Versuche bewusst die Aktivitäten, die du vor der Bettzeit für schön empfindest, zu fördern und solche, welche lediglich unternommen werden, weil sie beim Schlafen helfen sollen, zu reduzieren. Du gehst gerne vorm Schlafen baden? Dann let’s go! Lesen soll beim Schlafen helfen, aber eigentlich habe ich da gar keinen Nerv mehr für und gucke lieber eine Serie? Dann guck lieber eine Serie. Du weißt am besten, was für dich richtig ist.
  • Mehr lächeln: Nicht selten halten uns Stresshormone wach und lächeln ist eine der effektivsten Methoden, diese zu konterkarieren. Versuche an etwas Lustiges oder Schönes zu denken, wenn das Licht erstmal aus ist. Selbst ein aufgesetztes Lächeln ist wirksam, um die notwendige Nachricht ans Hirn zu senden und die Herzrate zu normalisieren.
  • Aufhören Artikel übers Schlafen zu lesen: Hoppla! Aber es stimmt. Wer wie besessen nach einer Lösung sucht, wird sich hiermit wahrscheinlich selbst ein Bein stellen. Das hier war also Dein letzter Beitrag zum Thema, hoffen wir. 😉
  • Wenn alle Stricke reißen: Cognitive Behavioral Therapy for Insomnia, oder CBTI, erweist sich für viele, die unter einer Schlafstörung leiden als wahre Wunderlösung. 80% der Patient:innen berichten zumindest von einer Verbesserung ihres eigenen Schlafverhaltens!

Häufig machen wir uns das Schlafen wirklich schwerer als es sein müsste Das wichtigste Schlusswort muss dementsprechend wohl lauten: Augen zu, hinlegen und selbstverständlich gute Nacht. 🛌💤

Zum Weiterlesen:

  • Answer In Progress (2023): why you are so tired.
  • Blum, Dani (2022): Can’t Sleep? Try Sticking Your Head in the Freezer.
  • Caron, Christine (2024): Your First Step Toward a Better Mood.
  • Dowling, Tim (2024): Is going to bed at 9pm the secret to happiness? My week of sleeping like a gen Zer.
  • Parker-Pope, Tara (2016): How to Get a Better Night’s Sleep.
  • Passarella, Elizabeth (2024): How Long Is Too Long to Stay in Bed?
  • Robertz, Victoria (2024): Schlaftherapeutin: „Schlaf ist ein erheblicher Wirtschaftsfaktor“.
  • Stoddart, Camilla (2022): Want to get a good night’s sleep? First of all, stop trying.
  • TED (2023): Do You Really Need 8 Hours of Sleep Every Night? | Body Stuff with Dr. Jen Gunter.

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