„Was willst du werden, wenn du groß bist?“, ist eine ganz typische Frage, mit welcher wir Kindern als Smalltalk begegnen – einem selbst wurde sie schließlich auch gestellt. Egal ob in der schulischen Projektwoche zur Berufsorientierung oder beim latent unangenehmen Austausch zum Familientreffen – eine simple Frage, um irgendein Gesprächsthema mit der Jugend zu finden. So einfach zu beantworten ist das allerdings gar nicht.
Fragt man Personen im Alter von 15 Jahren, wo diese sich mit 30 Jahren sehen, eröffnet sich gleichzeitig das Gedankenexperiment, welcher Mensch man zukünftig glaubt zu sein. Irgendwie absurd, war man vor derselben Zeitspanne doch noch auf allen Vieren mit Windel mobil. 🍼 Nach vorne gedacht eröffnet sich dann aber auf einmal die Perspektive „Steuerberater:in“ oder dergleichen. Das sind zwei Paar Schuhe. Eine fünfzehnjährige Zeitspanne ist also kaum tangibel, wenn diese die gesamte, bisherige Lebensspanne beschreibt. Man stelle sich vor ein Neugeborenes zu fragen, was es morgen denn vorhat.
Diese Schwierigkeit veräußert sich auch in einer von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführten Studie, für welche Millionen von Teenager:innen genau diese Frage in einer Zeitspanne von fast 20 Jahren gestellt wurde. Die Ergebnisse deuten vor allem auf eins: Die Schuld liegt nicht bei den Jugendlichen – vielmehr bereiten wir die Jugend von heute nicht angemessen auf die eigene Zukunft vor. Grundsätzlich sollten wir das Thema Beruf einmal umdenken. 🧠
Stellt man die Frage zum Traumberuf, finden Doktor:in, Anwält:in und Co. sich derselben Studie zufolge an der Spitze. In aller Fairness handelt es sich hierbei auch um sehr hochgeachtete Entscheidungen: Hohe Vergütung, soziales Ansehen und der Beweis von Leistung in Hinblick auf die Schwierigkeit des Studiums. Alle Eltern wären sicherlich stolz wie Bolle, wenn das eigene Kind es dahin schafft. 🚀
In der Realität sieht das allerdings anders aus und genau dieser Faktor könnte hierbei reinspielen: Wie viele dieser Jugendlichen, wollen tatsächlich in die Medizin – und wie viele sagen es lediglich, weil es besser klingt als „keine Ahnung“? 🤔 Im Jahr 2000 gaben 16% aller Jugendlichen an, Doktor:in werden zu wollen. Wirft man dennoch einen Blick auf befragte Altersgruppe und ihre heutige Berufsposition, stellt man jedoch fest, dass unter 0,5% es auch hierzu geschafft haben. Das natürliche Gegenargument lautet: „Doktor:in zu werden ist wirklich nicht einfach! Selbstverständlich schaffen das nicht alle.“ Vollkommen richtig! Nur sollte man das grundsätzliche Potenzial der Jugend nicht unterschätzen, wie Vox Media anhand einer Studie zu Jugendlichen und Karriereplanung in der Wissenschaft aufzeigt.
Als Lichtblick sei übrigens erwähnt, dass die Berufsangaben in Deutschland etwas vielfältiger ausfallen – heißt hierzulande bewegen wir uns definitiv in die richtige Richtung! 😉
Für besagte Studie wurden zwei Gruppen von Achtklässler:innen verfolgt: Durchschnittlich in Mathe, aber ausgestattet mit wissenschaftsbezogenen Ambitionen und keine wissenschaftsbezogenen Ambitionen, jedoch gut in Mathe. Die ambitionierte Person hat hierbei eine bedeutend höhere Wahrscheinlichkeit, einen wissenschaftlichen Bachelor abzuschließen, trotz mathematischer Defizite, als diejenigen, welche besagtes Ziel nicht teilen: 34% zu 19%. Wichtig zu sagen ist:
We make this comparison not to minimize the importance of academic achievement, but rather to highlight the importance of career expectations for young adolescents.
Der größte Erfolgsfaktor hierbei ist nämlich nicht nur die Ambition selbst, sondern vor allem die Zukunftsplanung. Beinhaltet diese einen Beruf, welcher eines Studienabschlusses bedarf, richtet sich hiernach schließlich die Planung. Können wir diese unterstützen, etwa in Form einer besseren Berufsorientierung, ermöglichen wir Jugendlichen gleichermaßen eine erfolgreichere Zukunft – und hier schließt sich der Kreis.
Hierzu gehört selbstredend auch Aufklärung zur Eignung. Keine konsequente, schulische Vorbereitung zum Studium, als gäbe es keinen anderen Karrierepfad, und auch keine Befeuerung der Idee, ein:e jede:r müsse studieren. Man müsse somit auch das Schmieden von Plänen ermöglichen, welche zu einem passen und welchen man tatsächlich nachgehen möchte. Insbesondere in Hinblick auf einen seltsamen Sonderfall hierzu.
In derselben Studie wurde nämlich eine weitere interessante Feststellung gemacht: Dass einer von fünf Jugendlichen falsch plant; die Rede ist vom sogenannten „Misalignment“. Misalignment bezeichnet das Bestreben nach einem bestimmten Job, ohne die hierfür erforderliche Bildung absolvieren zu wollen. Möchte man beispielsweise Chemiker:in werden, jedoch keine Chemie studieren. Im Umkehrschluss bedeutet das, diesen Beruf höchstwahrscheinlich nicht antreten zu können.
Misalignment ist ein Problem für sich, da Personen, die misaligned sind, eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit haben, mit 25 Jahren entweder arbeitslos oder außerhalb einer Bildungsinstitution zu sein, bei einer Wahrscheinlichkeit von 6%. Noch stärker betroffen sind Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen – nicht nur von den Konsequenzen, sondern auch dem Misaligned-Sein selbst, was soziale Ungleichheiten weiter perpetuiert.
Jugendliche, die wiederum aligned oder over-aligned sind (qualifizierter als notwendig), haben im Verlauf ihrer Karriere außerdem eine durchschnittlich höhere Vergütung. Misalignment legt dementsprechend mehr Steine in den Weg als sie beiseitezuräumen. Hierbei ließe sich allerdings noch sagen, dass das zumindest ein Plan ist und man den gegebenenfalls optimieren könnte. Schwieriger wird es allerdings bei Folgendem:
In der Studie zur Berufsfrage, gab es auch Teilnehmer:innen, welche schlicht und ergreifend keine Angabe getätigt haben. Im Jahr 2000 waren das noch 14%, 2018 hingegen bereits 25%. Eine Steigerung von 79% - und die etwas beklemmende Feststellung, dass ein Viertel der Jugend wirklich gar keine Ahnung hat, wo es hingehen soll.
Nicht vergessen darf man hierbei die gewisse Ungewissheit der Zukunft, in einer sich rapide entwickelnden Tech-Gesellschaft. Social Media Manager:in beispielsweise ist ein recht neuer Beruf, den sicherlich niemand zu Schulzeiten als Traumberuf nannte, es sei denn, man verfügt über außergewöhnliche, prophetische Fähigkeiten. 🔮
Allein der Blick in die Meta Jobbörse heute zeigt, dass niemand von uns vor 15 Jahren damit geantwortet hätte: 3D Art Generalist, Codec Avatars System Engineer, Infrastructure Network Engineer oder Research Scientist Machine Learning and Eye Tracking.
Aktuelle KI-Innovationen stellen des Weiteren die Frage zur Obsoleszenz betroffener Berufsfelder – und professionelle Schätzungen ergeben, dass 65% der künftig bestrittenen Jobs noch nicht wirklich existieren. Über mögliche Jobs im Metaverse haben wir übrigens hier schon philosophiert. Es ist offensichtlich sehr kompliziert, sich durch diese Ungewissheit zu navigieren. Wie können wir also auf eine Zukunft vorbereiten, welche wir nicht kennen? Nicht selten veräußerte die Arbeitswelt 4.0 schließlich dieselbe Kritik: Eine mangelnde, institutionelle Vorbereitung auf die Digitalisierung und stattdessen eine ausschließliche für das 20. Jahrhundert. Können wir es also besser machen?
Ganz kurz und etwas plump zusammengefasst, haben letztendlich wir viele junge Menschen, die entweder gar keine Ahnung haben, was sie machen wollen, bezüglich ihrer Berufswünsche flunkern oder Bestreben außerhalb ihrer Bereitschaft hegen. Schuld daran selbst sind sie allerdings herzlich wenig. Glücklicherweise gibt es jedoch konkrete Methoden, um dieses Problem zu lösen:
Beispielsweise Job Shadowing! Reinschnuppern. 👃 Die Möglichkeit, über die Schulter zu schauen, um Berufe zu verstehen. In Deutschland ist der Girls & Boys Day bekannt. Doch muss dieser demokratisiert ablaufen und gleiche Chancen für alle bieten – Herkunft und Netzwerk setzen dort nämlich schon an und entscheiden, wer beim König der Löwen Musical vorbeischaut und wer Brote im Backhaus belegt. So aus eigener Erfahrung von Letzterem… 😉
Möchte jemand etwa tatsächlich Doktor:in werden, so sollten im Optimalfall Ressourcen geboten werden, dass diese Person hier tatsächlich einen Blick außerhalb von Grey’s Anatomy und Scrubs werfen kann, um zu bestimmen, ob es sich hierbei um eine passende Wahl handelt. Diese Möglichkeiten dürfen sich nicht hinter finanzieller Stellung und Vitamin B verstecken.
Job Shadowing sollte daher Zugang und Selbstbewusstsein stiften. Eine Sache können wir dafür alle machen: Nicht nur eine Karte, sondern auch einen Kompass mitgeben. Wegfindung unterstützen, über Erzählungen und Einblicke der Neugierde begegnen und beim Familientreff die Frage anders formulieren, zum Beispiel: „Was macht Dir besonders viel Freude?“.
Was wolltest du mit 15 sein? Und wo bist du jetzt? Durftest du mal schnuppern – und falls nein, glaubst du, das hätte etwas geändert?
Toni: Mit 15 wollte ich Paläontologe werden, Dinosaurier und Co. erforschen – einfach, weil Dinos ziemlich cool sind. Getrieben hat es mich dann doch in den Journalismus, was persönlich sicherlich die bessere Entscheidung war, zu dem Zeitpunkt aber mein Plan B. Schön wäre es dennoch gewesen die Möglichkeit zu haben, mal einen Blick auf das wissenschaftliche Arbeiten hierzu zu kriegen, so außerhalb eines Museums. Der rechtzeitige Einblick in eine Redaktion hätte mir vielleicht auch die drei Semester Jura gespart.
Martin: Als Kind wollte ich auf jeden Fall Astronaut werden. Der Berufsausflug ins Weltall hat sich allerdings als schwierig erwiesen. Bei der Berufsberatung wurde mir dann der Beruf des Kosmetikers vorgeschlagen – dieser würde laut Test am besten meinen Stärken entsprechen…Naja, fast.
Lena: Kerzenverkäuferin mit meiner besten Freundin. Denn ich habe geahnt: Mir ist egal, was ich mache, Hauptsache ich kann kreativ sein und arbeite mit Menschen zusammen, die ich gern mag! Das geht mir noch heute so.
Fun Fact: Andere Birchies wollten Tischler, Schauspielerin, Architekt, Übersetzer oder Historikerin werden. 😉
Wie sieht’s bei Euch aus?
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