Kürzlich erst berichtete der Spiegel vom »Manuscript Writing Cafe« in Tokio. Ein Café, das die Gäste erst verlassen dürfen, wenn die Arbeit geschafft ist. Sinn und Zweck ist es, keiner Prokrastination nachzugeben und anstehende Aufgaben tatsächlich zu bewältigen. Der Kaffee hilft. Ein seltsames Geschäftsmodell, denn Prokrastination ist doch etwas, das nur Schriftstellende und Studierende betrifft, aber doch nicht uns im Berufsalltag. Wir sind doch alle so dynamisch und motiviert – oder?
Unter uns gesagt, kommt es im Studium noch ganz cool, bis 3 Uhr nachts zu lernen und dann mit mehreren Red Bull-Dosen zur Klausur aufzutauchen. Im Berufsleben aber irgendwie nicht.
Dabei sollten wir ehrlich zu uns selbst sein: Uns allen mangelt es mal an Motivation für gewisse Aufgaben und uns fallen immer wieder neue Gründe ein, warum wir die Aufgabe nicht jetzt sofort erledigen können. Oder besser: 1000 andere Dinge, die ganz dringend unbedingt vorher getan werden müssen. Homeoffice macht das Ganze nicht leichter, denn die Ablenkung versteckt sich an jeder Ecke. Prokrastinator:innen weltweit können hiervon mit Sicherheit ein Lied singen. Der Zwiespalt zwischen „Ich weiß, ich müsste das jetzt eigentlich tun“ und „Guck mal! Ein kleiner Waschbär mit Lätzchen, der Kirschen isst. Ich liebe Waschbären!“
So betrachtet, klingt Prokrastination natürlich lustig – und je mehr Memes man sich dazu anschaut, desto witziger ist es. Das ist ja auch nur menschlich, wir sind schließlich keine Maschinen.
Nicht selten scheint das in einer immer leistungsorientierteren Arbeitswelt die allgemeine Wahrnehmung von Prokrastination zu sein. So simpel ist das allerdings nicht, wie auch Studien nahelegen:
Procrastinators fail in setting standards, monitoring performance, and maintaining motivation. […] In other words, procrastination functions as an emotional regulation strategy in order to mend the bad moods caused by the task at hand.
Das Ganze hat somit nicht unbedingt mit Faulheit zu tun; Prokrastinator:innen leiden vielmehr an Selbstregulationsproblemen. Nicht umsonst fühlen sich viele von ihrer eigenen Prokrastination belastet, denn es ist keine Lustlosigkeit, sondern die Startschwierigkeit beim Aktivwerden. Prokrastinator:innen wissen, dass sie sich nun ihrer Arbeit widmen sollten, um künftigen Problemen auszuweichen – tun dann aber etwas anderes.
Tim Urban, Blogger und Ted Talker, zum Beispiel erklärt das Ganze anhand eines eindringlichen Beispiels. Kurz: Das Gehirn von Prokrastinator:innen unterscheidet sich maßgeblich von dem von Non-Prokrastinator:innen. Am Steuer unser aller mentalen Prozesse sei der Rational Decision Maker (kurz RDM). Durch ihn sind wir fähig logisch motivierte und reflektierte Entscheidungen zu treffen. Prokrastinator:innen allerdings haben noch eine andere Gestalt bei sich im Kopf rumlungern: Den Instant Gratification Monkey, welcher die Qualitäten des RDM aus dem Fenster wirft, um seinem eigenen Mantra zu folgen: Einfach und spaßig! Das wirft zwei Probleme auf
Es versteht sich: Der Instant Gratification Monkey ist kein guter Ratgeber. Er lebt vollkommen im jetzt und hat weder Blick für die Zukunft noch ein Gefühl für Konsequenzen.
Ehe man sich versieht, rutscht die Deadline von vor vier Wochen immer näher, gekürzt auf zwei Wochen, eine – drei Tage. Genau dann erwacht das letzte Mitglied des Prokrastinationsmechanismus: Das Panikmonster. In seiner Gesamtheit sieht der Prozess dann etwa so aus:
„…wir haben noch drei Tage. 😬“, sagt der Rational Decision Maker.
„Wir haben noch drei Tage! 🍌🐒“, sagt der Instant Gratification Monkey.
„#@%$ WIR HABEN NOCH DREI TAGE!!! 💢😡“, schreit das Panikmonster – und der Affe verschwindet auf den Baum, wodurch der RDM das Steuer übernehmen kann und anfängt zu arbeiten.
Das Panikmonster, so Urban, erklärt eine Menge dubioser Verhaltensmuster – allen voran, wie Prokrastinator:innen es zum einen schaffen, beispielsweise über mehr als drei Wochen keine einzige Zeile zu schreiben, dann aber binnen einer Nacht, ohne Schlaf und mithilfe von etwa 400mg Koffein, alle in einem Rutsch abzuarbeiten. Kein schönes System, aber in den meisten Fällen funktioniert es irgendwie.
Auch die Wissenschaft gibt Urban recht. Zhang und Co. etwa stellten in ihrer Studie fest, dass Aufgaben in erster Linie aufgeschoben werden, wenn...
Sprich Prioritätensetzung ist nicht gerade eine Stärke von Prokrastinator:innen. Schwierigkeiten, welche man durchaus angehen kann – beispielsweise über die Eisenhower-Matrix: Ein System zur Produktivitätsregulation, bedacht darauf, mittels vierer Quadranten die Priorität von Aufgaben festzulegen. Hierüber lassen sich Aufgaben nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit einordnen. Solche, die beispielsweise im Q1 liegen, haben sowohl eine hohe Dringlichkeit als auch eine hohe Wichtigkeit und sollten entsprechend als erstes erledigt werden.
Auch wenn es Prokrastinator:innen nicht einfach fallen wird, Q1 nicht doch erst zu erledigen, sobald die Deadline unangenehm naherückt, dass es schon Schweißausbrüche auslöst, kann man sich dennoch von Eisenhower eine Scheibe abschneiden. Weitere Tipps, die uns helfen.
Diese Methoden könnten dir dabei helfen, deinen inneren Affen etwas zu zügeln:
Prokrastination lässt sich natürlich nicht anhand eines einzelnen Blogbeitrags besiegen. Schön wäre es. Daher, zurück an die Arbeit!
We need to think about what we're really procrastinating on, because everyone is procrastinating on something in life. We need to stay aware of the Instant Gratification Monkey. That's a job for all of us. And because there's not that many boxes on there, it's a job that should probably start today. Well, maybe not today, but...You know. Sometime soon.
- Tim Urban
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